Hier verschwimmen die Grenzen zwischen SUV und Sportwagen wie bei sonst kaum einem Modell: Das Cayenne-Coupé hat sich die Sportlichkeit von Porsche bewahrt, setzt aber auf Fortschritt und Komfort.
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Für einen 911er habe ich viel Verständnis, die Begeisterung für Porsche kann ich gut nachvollziehen, und hätte ich selbst einen 911er, dann wäre ich happy damit, egal was irgendwer sagt. Midlife-Crisis? Hab ich längst hinter mir! Aber ich gebe zu, auf Leute, die in einem Cayenne sitzen, blicke ich mit Skepsis hinüber, da empfinde ich kaum Zuneigung oder Wertschätzung, vielleicht ein bisschen Neid, mag sein, aber im Grunde genommen halte ich Cayenne-Fahrer und auch die -Fahrerinnen für Schnösel und Schnöselinnen.

Gefestigter Ruf

Dem Cayenne, dem ja abgesehen von der gesellschaftspolitischen Einordnung ein gefestigter Ruf vorauseilt – Sinnbild des Bösen für die einen, die perfekte Verbindung von Komfort und Sportlichkeit für die anderen (die es sich leisten können und wollen) –, bin ich immer aus dem Weg gegangen. Der war mir mit zu vielen Vorurteilen aufgeladen, und ich wollte meine eigenen nicht auf die Probe stellen – oder anderen die Gelegenheit geben, mich danach abzuurteilen.

Jetzt sitze ich also selber in einem Cayenne, in einem Coupé noch dazu, die sinnwidrigste Verbindung von Geländewagen und Sportwagen. Das eine nicht und das andere nicht, und das sagt irgendwie auch etwas über die Besitzerinnen und Besitzer aus. Aber was soll ich Ihnen sagen? Ich tu mir schwer, das Auto zu verdammen. Weil es erstens besser ausschaut, wenn man einmal drinsitzt.

Auch innen bleiben keine Fragen: Das ist fraglos ein Porsche. Komfort trifft Sportlichkeit.
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Und zweitens stimmt jedenfalls eines: die technisch sehr anspruchsvolle Verbindung von Sitz- und Fahrkomfort mit einem überaus sportlichen Anspruch. Der Cayenne ist tatsächlich außerordentlich gemütlich, und er lässt sich dabei fahren wie ein Sportwagen. 470 PS, die lassen sich natürlich verdammen, aber wenn man Spaß haben will, kommen die grad recht.

Und ja, den erhobenen Zeigefinger hab ich genau gesehen, dem kann ich jetzt nur eines entgegenhalten: Plug-in-Hybrid! Hier wird ein klassischer Verbrenner mit einem Elektromotor kombiniert, und in der Stadt, wenn man das Auto quasi herumträgt, kann man tatsächlich nur elektrisch unterwegs sein, auf dem Papier jedenfalls 73 Kilometer – das ist nicht übertrieben viel, sollte aber für den Weg ins Büro reichen, so man denn eines hat und arbeiten muss.

Man nimmt, was man kriegt

Klar, das ist ein Öko-Schwindel, weil das Kernstück des Wagens 304 PS beisteuert: ein V6-Zylinder mit Turboaufladung, ein unglaublich antriebsstarker und agiler Benziner, der an sich kaum elektrische Unterstützung bräuchte, aber man nimmt sie, wenn sie schon einmal da ist.

Und da komme ich jetzt zu dem einzigen Punkt, bei dem ich etwas herumzumäkeln habe, abgesehen von der weltpolitischen Einordnung solcher Fahrzeuge: Der Verbrenner und der Elektromotor greifen etwas ruppig ineinander. Das ist kein fließender Übergang zweier Systeme, die sich perfekt ergänzen, sondern ein etwas holpriges Mit- und Nacheinander. Diese beiden Welten harmonieren wenig miteinander, der Unterschied zwischen dem lautlosen und nicht von Gängen unterbrochenen Antrieb des Elektromotors und dem lauten, gerne rauen V6 ist doch deutlich.

Damit ist das auch gesagt, das wird der Hersteller naturgemäß ganz anders sehen, und prinzipiell ist die Kombination von Verbrenner und Elektro natürlich besser als nur brumm, brumm und stinkenhintenraus.

Der Kofferraum ist nicht das Aushängeschild dieses Autos: Abfallende Silhouette wegen des Coupéschwungs oben, unten gehobener Boden wegen der Batterie darunter.
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Und eines muss ich jetzt auch zugeben: In dem Moment, in dem ich mich im Cayenne eingelebt und zurechtgefunden hatte, mich in den Sitz gedrückt und entspannt hatte, blickte ich auf den Škoda-Fahrer neben mir zwar nicht herab, aber doch etwas mitleidig hinüber. Weil: Die 143.500 Euro, die in diesem Wagen in Summe aufgegangen sind, machen doch einen Unterschied aus. Und die Erfahrung, die Porsche mit- und hier einbringt, macht schon ein fantastisches Fahrerlebnis möglich.

Saft laden bitte an der linken Flanke. Ist der Akku voll, geht es bis zu 73 Kilometer weit lokal emissionsfrei.
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Ich wählte auch eine abgelegene Passstraße als Abkürzung ins Nirgendwo, um den Wagen ein bisschen intimer zu spüren, und es ist unglaublich, wie gut sich dieses große und schwere Monstrum in die Straße schmiegt und die Kurven inhaliert, man möchte nicht glauben, dass man hier zweieinhalb Tonnen Gewicht bewegt, und natürlich ist das jenseitig. Diesem Widerspruch muss man sich stellen – oder eben auch nicht. Es zwingt einen ja niemand, so ein Fahrzeug zu fahren. Aber wenn man sich doch einmal hineinverirrt: Bist du gscheit! (Michael Völker, 27.3.2024)