Wien – Ob es sich bereits um einen Trend handelt, ist wohl noch zu früh zu sagen. Fest steht: Österreichs Ausstoß ist zum zweiten Mal in Folge gesunken. Nach Berechnungen des Umweltbundesamts sind die Treibhausgase im 2023 um rund 3,9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente oder 5,3 Prozent gesunken. Mit insgesamt rund 69 Millionen Tonnen CO2 wurde damit voraussichtlich der niedrigste Wert seit 1990 erreicht. Bei den Daten handelt es sich allerdings um eine erste Schätzung. Akkurate Zahlen wird es erst im heurigen Sommer geben, wobei die Schwankungsbreite laut Umweltbundesamt bei nur einem Prozentpunkt liegt.

Entwicklung der Treibhausgasemissionen in Österreich seit 1990.
APA

Der Emissionsrückgang fällt 2023 damit beinahe gleich groß aus wie im Jahr 2022. Günther Lichtblau vom Umweltbundesamt sprach am Donnerstag bei der Präsentation der Statistik von "einer ganz bemerkenswerten Entwicklung". Besonders groß war der Rückgang mit einem Minus von 1,2 Millionen Tonnen CO2 im Gebäudesektor. Diese Entwicklung ist laut Lichtblau allerdings nicht auf die Flaute in der Baubranche zurückzuführen, sondern bezieht sich in erster Linie auf eine Verschiebung in der Raumwärme. Demnach zeichne sich der Umstieg vieler Bürgerinnen und Bürger auf ökologischere Heizsysteme ab. Insgesamt ist der Erdgasverbrauch in Österreich im Vorjahr um 12,5 Prozent zurückgegangen, der Heizölabsatz um 8,6 Prozent geschrumpft. Die Heizgradtage sind im Vergleich um rund drei Prozent zurückgegangen.

Rauchende Schlote einer Fabrik.
Auch im Bereich des Emissionshandels sind die Emissionen zuletzt gesunken.
IMAGO/blickwinkel

Auch im Verkehrssektor, der Österreichs CO2-Bilanz traditionell stark belastet, gab es einen Emissionsrückgang von 0,6 Millionen Tonnen. Dieser Effekt könnte mitunter durch die hohen Treibstoffpreise entstanden sein: Der Dieselverbrauch ging im Vorjahr um 5,5 Prozent zurück. Der Benzinverbrauch stieg hingegen um 7,8 Prozent. Als "großes Sorgenkind" innerhalb des Mobilitätssektor nannte Lichtblau den Flugverkehr. Hier sei seit Ende der Pandemie eine massive Zunahme zu erkennen. Emissionen aus dem internationalen Flugverkehr werden in der österreichischen Bilanz allerdings nicht erfasst.

Rückgang in der Industrie

Einen CO2-Rückgang gab es auch im Bereich des Emissionshandels, also vor allem bei großen Industrieanlagen. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Emissionen hier um 1,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente oder 6,6 Prozent zurückgegangen. Den größten Anteil an der Reduktion hatte laut Umweltbundesamt der Rückgang des Erdgasverbrauchs in der Energieerzeugung, dieser sank um rund ein Drittel. Und auch der fünfprozentige Produktionsrückgang in der Eisen- und Stahlerzeugung hat zu dem Emissionsminus beigetragen.

Ein weiterer Faktor für die aus Klimasicht gute Bilanz dürfte auch die schwächelnde Wirtschaft im Vorjahr gewesen sein. Diese könne einen Teil des Rückgangs erklären, hieß es am Donnerstag vom Umweltbundesamt, nicht aber die ganze Summe. "Wir sehen eine Entkoppelung", erklärt Lichtblau die aufgehende Schere zwischen Wirtschaftsleistung und Emissionen. "Exogene Einflussfaktoren, wie Heiztage oder der Ölpreis, können diese Emissionsreduktion bei weitem nicht erklären." Das Umweltbundesamt hat mitunter auch das Wirtschaftswachstum im Vergleich zum Energieeinsatz in den vergangenen Jahren analysiert. Demnach ist das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwischen 2005 und 2022 um 24 Prozent gewachsen. Der Bruttoendenergieverbrauch ist im Vergleichszeitraum um 3,3 Prozent gesunken.

Leonore Gewessler und Günther Lichtblau vom Umweltbundesamt bei der Präsentation der vorläufigen Emissionsstatistik.
Leonore Gewessler und Günther Lichtblau vom Umweltbundesamt bei der Präsentation der vorläufigen Emissionsstatistik.
APA/TOBIAS STEINMAURER

Durch die Emissionsreduktion unterschreitet die Republik im zweiten Jahr in Folge die Zielsetzung vonseiten der EU. Bis 2030 müssen Österreichs Emissionen außerhalb des Emissionshandels ja um 48 Prozent im Vergleich zu 2005 sinken. Würde Österreich künftig weiterhin so viele Emissionen einsparen wie in den vergangenen zwei Jahren, wäre das Zwischenziel also erreichbar. Wie der Entwurf des Nationalen Energie- und Klimaplans zeigt, reichen die bestehenden Maßnahmen dafür aber noch nicht aus. Lichtblau rechnet derzeit mit einem Delta von rund zehn Prozentpunkten. Was aus Sicht des Experten zur Zielerreichung fehlt? "Wir müssen raus aus Fossilen und rein in Erneuerbare." Schwierig werde eine weitere Reduktion vor allem in den Bereichen Gebäude und Verkehr, dort "bleibt es spannend". Analysen würden jedenfalls zeigen, dass die Zielerreichung nicht unmöglich sei – aber große, weitere Anstrengungen benötige, so Lichtblau.

Auf Zielpfad?

Auch Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) führt die Reduktion nicht auf Einmaleffekte zurück und ortet eine längerfristige, positive Entwicklung: "Der Rückgang der Emissionen ist deutlich stärker als die wirtschaftlichen Maßzahlen", urteilt sie. Österreich liege angesichts der neuen Bilanz auf Kurs in Richtung Klimaneutralität 2040, ist sich die Politikerin sicher. Der Rückgang sei aus Sicht der Grünen auf Ökostromrekorde, die Sanierungsoffensive und Maßnahmen wie das Klimaticket zurückzuführen – die es nun fortzusetzen gelte.

Zwar kommt Österreich dem eigens gesteckten Ziel der Klimaneutralität erneut näher, der Weg dorthin ist aber nach wie vor unklar: Das Klimaschutzgesetz, das Emissionsreduktionen in den einzelnen Sektoren vorgeben sollte, ist seit mehr als drei Jahren fällig. Dass es bis zur Nationalratswahl noch verabschiedet wird, gilt als unwahrscheinlich. Gewessler dazu: "Ich werde weiter darauf drängen." (Nora Laufer, 28.3.2024)