Superstar Beyoncé ist eine deklarierte Demokratin und hat enorme Media-Power. Wird das ein Wahlkampf-faktor?
Superstar Beyoncé ist eine deklarierte Demokratin und hat enorme Media-Power. Wird das ein Wahlkampf-faktor?
IMAGO/Newscom World

Geben Taylor Swift oder Beyoncé Wahlempfehlungen ab oder nicht? Ist das notwendig? Und: Wie traurig ist es um eine Demokratie bestellt, wenn potenzielle Wählerinnen und Wähler sich an den Empfehlungen von Popstars in Laufhaus-konformer Arbeitskleidung orientieren?

In den USA und darüber hinaus liegt diese Frage seit Monaten in der Luft wie der Smog über Los Angeles. Hoffnungen, Swift würde sich vielleicht rund um das Erscheinen ihres neuen Albums The Tortured Poets Department zum Thema melden, wurden nicht erfüllt.

Taylor Swift und Beyoncé Knowles sind zwei der populärsten Stars der Welt. Beide stehen für eine liberale Gesellschaft, in der Minderheitenrechte wichtig sind, die modern und so sozial sind, wie es in den USA eben möglich ist, ohne sich sofort den von keiner Erkenntnis gestreiften Vorwurf des Kommunismus einzuhandeln. Politikstrategen der Demokraten wie der Republikaner beobachten mehr oder weniger angespannt, ob die beiden sich politisch äußern.

Nervöse Republikaner

Die Nervosität aufseiten der Republikaner ist deutlich größer, ihre Neigung zu selbstgekochten Verschwörungssüppchen ebenso: Von einem dem Trump-Lager zuzurechnenden Fox-News-"Journalisten" wurde Swift schon als Ausgeburt des Pentagons bezeichnet. Nur das US-Verteidigungsministerium würde ihre Popularität ermöglichen und sie dergestalt lenken, um den von Gottes Gnade gesandten Donald Trump als Geschenk für alle Amerikaner zu verhindern. Verbreitet wird derlei Quatsch von rechten Medien, Trump-Eiferer verlängern den Schmarren dann im Netz, aber ein bisschen versteht man deren Nervosität.

Taylor Swift folgen auf Instagram 283 Millionen Menschen, Beyoncé 320 Millionen. Die Fan-Scharen kommen da wie dort nicht alle aus den USA, und zwei, drei Überschneidungen wird es schon geben. Doch es ist kein Wunder, dass Wahlstrategen angesichts dieser Zahlen ins Rechnen kommen – bei 333 Millionen Einwohnern, die die USA haben. Weniger als die Hälfte davon, 158,2 Millionen, hat 2022 an den Kongresswahlen teilgenommen. Und ganz aus der Luft gegriffen sind die Ängste der Republikaner nicht.

Schon bei der letzten US-Präsidentenwahl 2020 postete Swift ein Selfie von sich mit Keksen, in deren Zuckerguss geschrieben stand: "Biden/Harris 2020". Darunter formulierte die 34-Jährige den Glauben, dass nur die beiden einen Heilungsprozess in den USA herbeiführen könnten. Ihr Wunsch hat sich erfüllt, nur das mit der Heilung scheint schwierig zu sein.

Kopf an Kopf

Zwei Jahre später rief sie ihre Fans dazu auf, sich in die Wählerregister für die Kongresswahlen 2022 eintragen zu lassen. Die Neuregistrierungen stiegen daraufhin um 23 Prozent im Vergleich zum Jahr davor. Selbst wenn nicht garantiert ist, dass diese neuen Einträge allein auf Swifts Aufruf zurückgehen, ist klar: Derlei Einfluss fürchten die Republikaner mehr als eine Sozialversicherung für alle. Zumal sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Donald Trump und dem amtierenden Joe Biden abzeichnet.

Beyoncé ist ausgewiesene Demokratin. 2009 wurde das beim Inaugurationsball von Barack Obama allen vor Augen geführt. Als das neue First Couple sein erstes Tänzchen absolvierte, sang sie dazu den von Etta James unsterblich gemachten Titel At Last –endlich! Das war nicht nur ein Triumph für die Demokraten, es war einer für alle Afroamerikaner – und Beyoncé stand für sie mit den Obamas im Scheinwerferlicht.

Afroamerikaner wählen seit der Zeit der Bürgerrechtsbewegung der 1960er überwiegend die Demokraten. Der damalige demokratische Präsident John F. Kennedy und sein Bruder Robert nahmen die Anliegen der Afroamerikaner zum ersten Mal ernst. Sie wollten deren Lebensbedingungen verbessern und sich damit ihre Stimmen sichern.

Traditionelle Demokraten

In dieser Zeit spannten Aktivisten und Stars wie Harry Belafonte Freunde und Verbündete aus der Film- und Musikwelt für die Bürgerrechtsbewegung ein. Die Überlegung dahinter war so einfach wie wirksam: Wenn sich populäre Leinwand- und Bühnenstars für etwas einsetzen, wird man damit deren Fans leichter für dieselbe Sache gewinnen können. Spätestens seit damals sind Vertreter der Unterhaltungsindustrie aus US-Wahlkämpfen nicht wegzudenken.

Harry Belafonte (li.) 1964 mit Martin Luther King.
Harry Belafonte (li.) 1964 mit Martin Luther King.
APA/AFP/-

Als der ehemalige B-Movie-Darsteller Ronald Reagan 1982 US-Präsident wurde, kam es gewissermaßen erstmals zum endgültigen Vollzug dieser Nähe im Sinne eines Seitenwechsels. Ein weiterer war jener von Arnold Schwarzenegger, der 2003 als berühmtester Actiondarsteller der Welt zum republikanischen Gouverneur von Kalifornien wurde. Trump steht, wenn man so will, als Radaubruder der Realityshow The Apprentice ebenfalls in dieser Tradition.

Demografisches Problem

Gleichzeitig genoss noch nie jemand so wenig Zuspruch aus dieser Welt wie Donald Trump. Der hatte Mühe, bei seiner Angelobung 2016 irgendwelche Promis aus der Unterhaltungsindustrie für die obligatorischen Auftritte zu finden. Am Ende konnte sein Hofstaat ein paar Emporkömmlinge aus Talentshows aufbieten, dazu die Band 3 Doors Down, den Countrysänger Toby Keith und einen schlecht beratenen Soul-Veteranen: Sam Moore, der sich aus der schwarzen Community einiges anhören musste, weil er seine Eitelkeit über die Gesinnung gestellt hatte.

Rein von der Unterstützung aus dem Popbereich her besehen wäre es für Biden ein Leichtes, Trump zu schlagen. Denn neben Beyoncé oder Swift reicht der Bogen seiner Unterstützer von Bruce Springsteen bis zu Jane Fonda, von Neil Young bis zu Cardi B. Doch Joe Biden hat ein Problem.

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2020 interviewte Rapperin Cardi B für die Zeitschrift "Elle" Joe Biden.
imago images/ZUMA Wire

Demografisch werden jene Afroamerikaner weniger, die als Zeitzeugen und Kinder der Bürgerrechtsbewegung traditionell demokratisch wählen. Zudem wird ihm vorgeworfen, zu wenig für die Afroamerikaner getan zu haben. Rassistische Polizeigewalt hat unter ihm nicht abgenommen, die Hoffnung, er würde zur Halbzeit das Amt an Kamala Harris übergeben, hat sich nicht erfüllt. Für viele Schwarze sind die beiden greisen Kandidaten keine Option. Und Beyoncé verkörpert ein Ideal, das mit dem Leben vieler Afroamerikanerinnen gar nichts zu tun hat. Sie steht für eine Glamour- und Glitzerwelt, weit entfernt von einem Alltag mit Essensmarken und Sozialhilfe.

Die Frauen sind an der Reihe

Dennoch ist sie eine gesellschaftspolitische Kraft. Offen bleibt, ob der Einfluss von ihr und Swift ausreicht, um das US-Wahlsystem mit seinen Wahlmännern und -frauen, das den Ausgang auf die Entscheidungen in wenigen Swing-States herunterbricht, beeinflussen zu können. Oder ob das eher Wunschdenken auf demokratischer Seite ist.

Darauf ist keine eindeutige Antwort zu geben. Junge Wähler sehen ihre Ängste und Sorgen – Klimakrise, Arbeit, Wohlstand – von Swift, Beyoncé und Co zwar wahrgenommen, aber es könnten zu viele Menschen nicht wählen gehen.

Meinungsforscher sagen aber, dass die Entscheidung bei den Wählerinnen liegen dürfte. Unter anderem wegen der rückschrittlichen Abtreibungspolitik der Republikaner. Zwar gilt ihnen Biden ebenfalls nicht als Traumkandidat, Trump und seine Klerikalen aber noch viel weniger. Deshalb hoffen Demokraten, dass sich Frauen von den weiblichen Superstars – und da wurden Billie Eilish und ihre 120 Millionen Online-Media-Anhänger noch nicht erwähnt – angesprochen fühlen und im November wählen gehen. (Karl Fluch, 27.4.2024)