Sonnenuntergang
Das wärmende Klima- und Wetterphänomen El Niño klingt Fachleuten zufolge derzeit ab und könnte bald von seiner Gegenspielerin abgelöst werden.
EPA/PETER KOMKA

Nach langer Pause hat sich ab dem Vorjahr wieder das Wetter- und Klimaphänomen El Niño gezeigt. Es trug dazu bei, dass 2023 global das bisher heißeste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn wurde – abgesehen von den hohen Konzentrationen an Treibhausgasen. Samantha Burgess, der stellvertretenden Direktorin des Copernicus-Klimawandelservice, sprach vom wärmsten Jahr der vergangenen 100.000 Jahre. Mittlerweile flaut El Niño wieder ab und könnte noch bis zum Ende des Frühjahrs, also im Laufe des Aprils oder Mais, wieder verschwinden. Manche Fachleute gehen davon aus, dass wir uns schon jetzt nicht mehr in einem El-Niño-Event befinden.

Die Vorjahre waren ungewöhnlich: Die drei Jahre von 2020 bis 2022 waren von der Gegenspielerin La Niña geprägt, die global einen kühlenden Effekt hat. Eine solche "dreifache Niña" ist selten, Meteorologinnen und Meteorologen hätten schon früher die Rückkehr von El Niño erwartet. Diese "Kühlphase" verhinderte nicht, dass 2020 zum weltweit bislang drittwärmsten Jahr wurde und zum heißesten Jahr Europas.

Wärmefaktor seit Juli

Generell wird Europa im Gegensatz zum weltweiten Durchschnitt kaum von dem Wechselspiel zwischen El Niño und La Niña beeinflusst. Die Strömungsveränderungen finden im Pazifik statt und haben für die angrenzenden Länder die größten Auswirkungen, beeinflussen aber auch jene um den Indischen und den Atlantischen Ozean. Das gilt nicht nur für die Temperaturen, sondern auch etwa für Niederschläge. El Niño verursacht an den amerikanischen Westküsten ein feuchteres Klima, in Südostasien und Australien wird es dann tendenziell trockener. Im Durchschnitt kommt El Niño alle zwei bis sieben Jahre vor und hält sich neun bis zwölf Monate.

2023 zeichnete sich nach den vielen kühleren Jahren aber ab, dass auf die neutrale Phase höhere Ozeantemperaturen folgten. Spätestens im Juli war klar: El Niño ist da. Seinen Höhepunkt erreichte er im Herbst und Winter. Das ist typisch für dieses meteorologische Phänomen, das seinen Namen vom spanischen Begriff für das Christkind bekommen hat, weil es in Südamerika meist um die Weihnachtszeit besonders deutlich auftritt.

Es prägte die anhaltenden Temperaturrekorde mit: Seit dem Sommer werden jeden Monat die bisherigen Höchsttemperaturen übertroffen. Das gilt auch für die Ozeane, wenngleich es schon vor El Niño, ab April 2023, ungewöhnliche Hitzewellen in den Meeren gab. Während der vergangenen 100 Tage lag die Durchschnittstemperatur der oberen Meeresschicht weltweit bei extremen 21 Grad Celsius oder darüber. In Südostasien und Südamerika ist es seit dem vergangenen Jahr in vielen Regionen heißer und trockener als sonst.

Was ist ein Super-El-Niño?

Häufig fällt El Niños Einfluss auf die Temperatur in seinem zweiten Jahr stärker aus. Das wurde beim vorangehenden El-Niño-Event deutlich, das durch die extreme Ausprägung sogar in die Kategorie "Super-El-Niño" fiel: Es hatte sich bereits 2014 angekündigt, verstärkte sich 2015 – und obwohl ab dem Sommer 2016 schon wieder La Niña regierte, wurde 2016 vorläufig zum heißesten Jahr der Messgeschichte. Als es 2023 abgelöst wurde, stand daher ebenfalls zur Aussicht, dass 2024 aufgrund des anhaltenden meteorologischen Phänomens noch heißer werden könnte.

Ob es so weit kommt, ist derzeit fraglich. Der aktuelle El Niño dürfte im Vergleich mit seinem Vorgänger 2015–2016 kurz ausfallen und brachte 2024 einen weniger extremen Wärmeeffekt, als teilweise prognostiziert wurde. Nun gehen Wetterdienste in mehreren Ländern davon aus, dass das Phänomen noch im Laufe des Frühjahrs verschwinden wird, die japanische Wetterbehörde nennt eine Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent. Für das australische Wetterbüro ist es bereits vorbei.

Zu Beginn des Jahres schrieb die CNN-Meteorologin Mary Gilbert, dass wieder ein "Super-El-Niño"-Event eingetreten sei. Dabei handelt es sich um eine besonders starke Ausprägung des meteorologischen Phänomens, das sich seit den 1950er-Jahren bislang fünfmal zeigte. Für El Niño gelten die durchschnittlichen Ozeantemperaturen dreier Monate als Indikator. Ablesen kann man sie am sogenannten Oceanic Niño Index (ONI). Liegt die Temperaturabweichung bei plus 0,5 Grad Celsius und mehr und hält sich dies für mindestens fünf Perioden, spricht das für El Niño. Wenn es mit minus 0,5 Grad oder einem noch niedrigeren Wert kälter wird, ist das ein Anzeichen für La Niña. Klettert der Wert auf plus 2,0 und darüber hinaus, sprechen manche Fachleute von einem Super-El-Niño.

Eine Tabelle für die Jahre 2020 bis 2024. Sie zeigt Werte in Blau, die auf La Niña schließen lassen (2020 bis Anfang 2023), und Werte in Rot, die Indikator für El Niño sind.
Die Tabelle zeigt den Indikator für El-Niño-Ereignisse (rot) und das La-Niña-Pendant (blau). Dabei geht es um den Durchschnittswert der oberen Meerestemperaturen einer Dreimonatsperiode, angefangen bei Dezember-Jänner-Februar (DJF). 2023 betrug der Wert für November-Dezember-Jänner plus 2,0 Grad Celsius, was die offizielle Schwelle für einen Super-El-Niño ist.
Screenshot NOAA

In den Jahren 1997–1998 stieg der ONI-Wert auf beachtliche 2,4, 2015–2016 sogar auf 2,6, wie auf der Website des US-amerikanischen Wetterservice NOAA nachzulesen ist. Im Vergleich zu diesen Super-El-Niños fällt der Höhepunkt der aktuellen Ausprägung wenig spektakulär aus: Nur in der Periode November-Dezember-Jänner erreichte der Wert 2,0. Das dürfte erklären, warum sich offizielle Stellen bislang zurückgehalten haben, 2023–2024 als Super-El-Niño zu bezeichnen.

Der weitere Verlauf

Solche starken Phänomene sind außerdem noch kaum erforscht. Zwar zeigen sie sich auch in urzeitlichen Daten, detaillierte Aufzeichnungen gibt es aber erst seit einem in den 1980er-Jahren aufgetretenen El Niño. Ob sie wie vermutet dafür sorgen können, dass ein El Niño auch länger bleibt, ist noch nicht klar. Erst im Vorjahr wurde zumindest eine Forschungsarbeit veröffentlicht, der zufolge sich der Klimawandel auf die El-Niño-Phänomene auswirkt. Laut anderen Studien könnte er auch zu mehr Super-El-Niños führen. Das sich verändernde Klima bringt in jedem Fall Unsicherheiten in Wetter- und Klimaprognosen.

Für die kommenden Monate bedeutet das Ende von El Niño, dass bald eine neutrale Phase anstehen dürfte. In manchen Fällen folgt aber schon kurz danach wieder das kühlende La-Niña-Phänomen. Hier rechnen Wetterbehörden mit einer 50- bis 60-prozentigen Wahrscheinlichkeit, dass es im Sommer losgeht. Eine unwahrscheinlichere, aber nicht ausgeschlossene Möglichkeit ist, dass El Niño "momentan nur etwas zur Ruhe kommt, dann aber noch einmal anzieht", wie Kristina Fröhlich vom Deutschen Wetterdienst im "Spiegel" sagte.

Noch ist es zu früh, um vorherzusagen, wie sich die Lage entwickeln wird. Durch die bisherige Erwärmung ist es aber eher wahrscheinlich, dass es global zu einem überdurchschnittlich warmen Sommer kommt, auch wenn womöglich nicht gleich wieder neue Höchstwerte erreicht werden. (Julia Sica, 19.4.2024)