Johannes Kopf alias Labour MC beim Auflegen im U4.
Ludwig Schedl

Die meisten Menschen kennen Johannes Kopf als Vorstandsvorsitzenden des AMS, des Arbeitsmarktservice. Wenige wissen von seiner Leidenschaft für Musik, die er seit den 1990ern als DJ auslebt. Als solcher nennt er sich Labour MC. Am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, veröffentlicht er seinen ersten selbstproduzierten Song. Der heißt Mehr vom Leben! – helfende Produzentenhände kamen von Benedikt Meschik und Maximilian Paul McManus. Dazu rastet Beate Hartinger-Klein aus, aber nur via Sample.

STANDARD: Sie verbringen Ihre Nächte immer wieder als DJ, als Labour MC, und veröffentlichen am 1. Mai einen Song. Worum geht's in Mehr vom Leben!?

Kopf: Mich beschäftigt der Konflikt zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Da gibt es großes Unverständnis. Wie macht man Arbeitgebern klar, dass Junge es heute anders wollen, nicht mehr so sein wollen wie wir. Nicht die Welt zerstören, ihren Kindern beim Aufwachsen zusehen und dass die Beziehung hält und nicht von der Arbeit zerstört wird. Es gibt heute tausende Stellenangebote, wo steht Vollzeit, auf Wunsch Teilzeit. Noch vor ein paar Jahren haben dich die Personalchefs gefragt, wenn da jemand weniger arbeiten wollte, ob du nicht lesen kannst.

STANDARD: Da kommt oft die Frage, wovon willst du leben?

Kopf: Mein Song erzählt keinen Konflikt zwischen Alt und Jung, sondern zwischen Alt und Jung und gut qualifiziert. Nur ein gut Qualifizierter kann sich das Leben so finanzieren, nicht jemand, der beim Bäcker verkauft.

STANDARD: Auf welcher Seite stehen Sie in dem Konflikt?

Kopf: Ich verstehe beide. Aber ich sag auch, jedes Pensionssystem der Welt hat in sich, dass man, wenn man in Pension geht, weniger hat, als wenn man noch aktiv ist. Wenn sich's vorher gerade ausgeht, geht sich's nachher nicht mehr aus.

STANDARD: Sie verwenden ein Sample von Beate Hartinger-Klein: ihren Auszucker mit "Wer schafft die Arbeit?". Kriegt sie Tantiemen?

Kopf: Nein, aber bevor ich es verwendet habe, habe ich ihr eine E-Mail geschickt und sie ganz lieb gefragt, ob ich es verwenden darf. Sie hat gesagt, ja, mach nur.

Mehr vom Leben!
Labour MC - Topic

STANDARD: Wie sind Sie zur Musik gekommen, gab es da ein Erweckungserlebnis?

Kopf: Ich war ein 13 Jahre altes Bübchen, als meine um sechs Jahre ältere Schwester einen neuen Freund nach Hause brachte, der früher Punk war. Den fand ich unglaublich cool. Der hat mir dann Platten gebracht und dazu Geschichten erzählt: über die Sex Pistols, Velvet Underground, die Clash. Zu der Zeit hat niemand meiner Freunde so etwas gehört, und da entdecke ich diese Welt! Ich war begeistert.

STANDARD: Wie sind Sie dann zum Auflegen gekommen?

Kopf: Ich habe als Student begonnen, privat, auf Festen. Irgendwer geht da zum CD-Player und spielt was. Dann organisiert man einen zweiten Player, ein Mischpult – so beginnt's. Das war Anfang der 1990er. Mit Schallplatten habe ich nie wirklich aufgelegt, das waren damals schon CDs.

STANDARD: Das ist ein bisserl uncool.

Kopf: Ja, stimmt, aber damals hatte im Bekanntenkreis niemand zwei Technics und ein Mischpult. Zwei CD-Player schon. Ich habe dann schnell Mix-CDs gemacht, weil ich nicht so viele CDs mitnehmen wollte.

STANDARD: Was war da drauf?

Kopf: Puh, keine Ahnung. Prince wahrscheinlich, Michael Jackson, Falco. Partymusik. Nur Tanzlieder, aber nicht unbedingt zusammenpassend, das habe ich erst beim Auflegen gemacht. Ich habe bald einen Grundstock von zehn CDs mit rund 200 Liedern gehabt; wenn du die auf eine Party mitnimmst und auf den CDs von dort auch noch was findest, dann läuft das schon.

STANDARD: Ist Musikauflegen Arbeit oder Vergnügen?

Kopf: Es ist Vergnügen, aber ich bin ein Streber und Pedant, ich nehme es richtig ernst. Wenn ich im U4 auflege, bedeutet das viele, viele Stunden Vorbereitung. Das ist das U4! Und ich bin ja nur ein Schwammerl! Dort hat der Prince gespielt und Nirvana – und dann komm ich, der Johannes.

STANDARD: Beschreiben Sie Ihren Zugang als DJ.

Kopf: Ich finde, es ist ein Handwerk, das das Publikum unterhalten soll, keine Kunst. Da spiele ich auch Lieder, die mir persönlich nicht so gefallen, aber bei denen ich merke, das taugt den Leuten.

STANDARD: Ist Ihr DJ-Set ein Wunschkonzert oder ein Solo?

Kopf: Man darf sich nichts wünschen bei mir: The DJ is not a jukebox! Ausnahme: Wenn ich auf einer Hochzeit spiele, darf sich die Braut ein Lied wünschen, der Bräutigam schon nicht mehr.

STANDARD: Warum so knausrig?

Kopf: Die Erfahrung zeigt, die Leute wünschen sich zwar Songs, die mir gefallen, die aber gerade sicher nicht passen.

STANDARD: Haben Sie so etwas wie ein DJ-Idol?

Kopf: Ja, aber ich weiß nicht, ob Sie ihn noch als DJ bezeichnen würden. Das ist der Parov Stelar. Den finde ich großartig. Ich besuche seit Jahren jedes Konzert von ihm in Österreich. Ich sag jetzt einmal: Künstlerisches Ziel wäre, einmal im Vorprogramm von Parov Stelar aufzulegen.

STANDARD: Das schreiben wir.

Kopf: Super.

STANDARD: Berühmte DJs verdienen oft hunderttausende Euro für nicht immer nachvollziehbares Tun. Ist das noch ein faires Gehalt?

Kopf: Aus meiner Sicht ja, weil sie das mit Eintrittskarten verdienen, aber es gibt auch Verarschungen. Ich bin einmal zu David Guetta in die Krieau gegangen, die Karte hat sicher 85 Euro gekostet. Er ist auf die Bühne gekommen, eine Kamera hat ihn begleitet. Er hatte eine ganz kleine Plastikdose, wo eine SD-Karte drinnen war. Die kleine SD-Karte! Die hat er wo hineingeschoben, ist auf den Tisch gestiegen, hat geschrien "Hello Vienna, are you ready?". Das war's. Nach 75 Minuten hat er die Karte rausgenommen und war weg, in den Flieger, weil er am selben Abend noch in London gespielt hat. Da, fand ich, war es nicht gerechtfertigt. Aber selbst schuld.

STANDARD: Was denken Sie über so einen Stundenlohn?

Kopf: Eine moralische Wertung halte ich in dem Fall nicht für vernünftig diskutierbar: Für Leute, die Karten kaufen, passt es offenbar.

STANDARD: Weil sie wissen, was sie erwartet?

Kopf: Ja, und es ist wie bei Spitzensportlern oder einem Maler, der einen Tag oder zwei an einem Bild malt und 50.000 Euro verlangt. Da bezahlt man ja immer auch den ganzen Entwicklungsprozess dahinter.

STANDARD: Wenn Sie auflegen, lassen Sie sich nicht bezahlen, stimmt das?

Kopf: Seit vielen Jahren habe ich entweder nur privat oder für gemeinnützige Zwecke aufgelegt. Einmal im Jahr spiel ich für Freunde und Bekannte im U4, da waren letztes Mal um neun am Abend schon 800 Leute, die zu meiner Musik tanzen wollten. Im März habe ich zwei Stunden auf einer Unternehmensfeier gespielt, die mussten dafür gar nicht wenig Geld der Caritas spenden.

STANDARD: Was legen Sie für Musik auf?

Kopf: Das hängt vom Publikum ab. In Alpbach waren 300 Studenten, da lege ich anders auf als bei einer 50er-Party. Wenn ich so einen ganzen Abend spiele, versuche ich eine Geschichte zu erzählen. Ich will das Publikum fordern, aber nicht zu viel. Ein DJ, der nur spielt, was ihm gefällt, ist okay, wenn die Leute für ihn Eintritt zahlen. Wenn sie nur tanzen wollen, ist es meine Aufgabe, das zu garantieren. Da kann es sein, dass um drei Uhr früh, wenn alle betrunken sind, Ich war noch niemals in New York läuft. Das ist dann keine Glanzstunde, kann aber passieren.

STANDARD: Was war Ihr seltsamstes Erlebnis als DJ?

Kopf: Vielleich das in der Loosbar, da hat eine junge Frau, die nicht sichtbar betrunken war, gesagt, dass sie sich in mich verliebt hat. Nach einer Viertelstunde hat sie mich dann gefragt, ob ich bei ihrer Hochzeit auflegen möchte. Diesen Widerspruch fand ich interessant.

STANDARD: Wer tanzt besser, die alten Arbeitgeber oder die jungen Teilzeitarbeitnehmer?

Kopf: Besser tanzen tut die Generation Z, mehr Freude haben 50-Jährige, die lange keine Möglichkeit zu tanzen hatten. Ich habe ein paar handgeschriebene Briefe zu Hause, wo jemand schreibt, er war schon so lange nicht mit seiner Frau oder Freundin tanzen, und sie hatten einen so schönen Abend, vielen Dank.

STANDARD: Sie haben ja sogar einen DJ-Kurs gemacht, wie kam das?

Kopf: Ich bin von CDs auf rein digital umgestiegen, und da habe ich gemerkt, es gibt Mixtechniken, die ich einfach nicht kann.

STANDARD: Und jetzt können Sie die?

Kopf: Ja, es hat gedauert, aber ich habe ja nie Zeit. Aber nach 50 Stunden, verteilt über eineinhalb Jahre, kann ich's.

STANDARD: Sind Sie jetzt amtlich bescheinigter USB-DJ?

Kopf: Ich habe jetzt ein, wie heißt das, ich glaube "Pioneer DJ Certificate". (Karl Fluch, 1.5.2024)