Taxischild auf dem Dach eines Fahrzeuges.
In 300 Taxis soll eine Gruppe von Teenagern seit Herbst eingebrochen haben, um Geld und Wertgegenstände zu stehlen.
APA / GEORG HOCHMUTH

Wien – Als misstrauischer Mensch könnte man beinahe vermuten, dass die ÖVP ihren erneuten Vorstoß zur Senkung der Strafmündigkeit absichtlich zeitlich so abgestimmt hat, dass es zu einem Ermittlungserfolg der Wiener Polizei passt, aber das wäre eine krude Verschwörungstheorie. Außerdem müssten dann die 24 jungen Verdächtigen, die seit vergangenem Herbst in Wien und Niederösterreich an die 500 strafrechtlich relevanten Delikte begangen haben sollen, eingeweiht gewesen sein – schließlich wurden erst in der Nacht auf Dienstag zwei Unmündige von den Beamten erwischt, nachdem sie in zwölf Taxis eingebrochen waren, wie Reinhard Bruckner vom Landeskriminalamt-Außenstelle West Dienstagvormittag im Rahmen einer Pressekonferenz bekanntgab.

Video: Polizei hob Teenager-Autoknackerbande in Wien aus.
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Stolz berichteten der Ermittler und sein Vorgesetzter Martin Bencza vom erfolgreichen Abschluss einer im Jänner begonnenen Amtshandlung. Nachdem innerhalb von zwei Wochen zweimal in einen Handyshop in Wien-Rudolfsheim-Fünfhaus eingebrochen worden war, konnten drei Tatverdächtige – zwei von ihnen unter 14, also strafunmündig – ausgeforscht werden. Bei den Einvernahmen und den weiteren Erhebungen zeigte sich, dass das Trio nur der Einstieg in einen umfassenden Akt war.

17 Autos wurden Totalschaden

Denn die Gruppe von 24 männlichen Personen im Alter von zwölf bis 17 Jahren, sechs von ihnen unmündig, soll seit vergangenem Herbst insgesamt 350 Mal in Fahrzeuge eingebrochen sein, 300 Stück waren Taxis, 19 Pkws gestohlen und großteils zu Schrott gefahren haben sowie diverse Geschäfts- und Automateneinbrüche und Sachbeschädigungen begangen haben. Der angerichtete Schaden wird von der Exekutive vorsichtig auf 300.000 Euro geschätzt.

Im Gegensatz zu einer Gruppe, die in Meidling ihr Unwesen getrieben haben soll, und die, wie DER STANDARD erfuhr, ab 17. Mai in einem mindestens neuntägigen Prozess vor Gericht sitzen, sind die zwei Dutzend Jugendlichen aus Österreich, Syrien, Afghanistan, Serbien, der russischen Teilrepublik Tschetschenien und Tunesien im aktuellen Fall nicht hierarchisch organisiert gewesen, berichtet Kriminalist Bruckner. Die Kinder und Jugendlichen hätten sich in Parks oder anderen öffentlichen Orten getroffen und dann ad hoc beschlossen: "Gemma TX machn!" Das TX steht dabei für die am Ende jeder Taxikennzeichentafel vorhandene Buchstabenkombination.

Subtil gingen die Täter dabei nicht vor: Mit einem Nothammer wurden die Seitenscheiben zertrümmert und Bargeld und Wertgegenstände aus den Fahrzeugen entwendet. Bruckners Appell nicht nur an Berufschauffeure: "Lassen Sie nichts sichtbar liegen, vor allem kein Bargeld, nicht einmal Münzen. Wenn die Gruppe zehn Euro gesehen hat, hat sie eingebrochen!" Wie flexibel die wienweit aktiven Verdächtigen gewesen seien, zeige sich anhand eines Beispiels, dass aufgrund von Überwachungskameras rekonstruiert werden konnte: Um Mitternacht lagen Tatorte im ersten Bezirk, vier Stunden später war ein Teil der Jugendlichen dann in Wien-Margareten tätig.

Hochgeschwindigkeitsflucht von 14-Jährigem

Auch bei den 19 gestohlenen Kraftfahrzeugen machten es die Eigentümer den Teenagern nicht zu schwer: In 18 Fällen steckten die Schlüssel im Zündschluss. 17 der gestohlenen Autos endeten als Totalschaden, berichten die Beamten. Am Vormittag des 25. April flüchtete ein 14-Jähriger mit einem Tempo von bis zu 180 km/h auf der Südautobahn bei Mödling in einem der gestohlenen Wagen vor der Polizei und versuchte, das Dienstfahrzeug abzudrängen, ehe er gestoppt werden konnte.

Weitere Verdächtige fielen ebenso anderweitig auf: Ein 13-Jähriger soll auf dem Reumannplatz in Wien-Favoriten bei einem Streit einem Kontrahenten mehrmals in den Oberschenkel gestochen haben. Eine andere Gruppe besorgte sich im Ausland in Österreich nicht zugelassene Pyrotechnik und warf sie von einer Fußgängerbrücke auf eine Autobahn, was glücklicherweise zu keinem Unfall führte. Und eine 13-Jährige, die in Linz bei Taxieinbrüchen erwischt wurde, soll ihre "Fähigkeiten" zuvor in Wien erlernt haben.

Die sechs ausgeforschten Unmündigen seien geständig, aber völlig uneinsichtig gewesen, beklagte Bencza bei der Pressekonferenz. Sie würden festgenommen, vernommen und anschließend den Erziehungsberechtigten übergeben – in den meisten Fällen die städtische Wiener Kinder- und Jugendhilfe (MA 11) oder andere Betreuungseinrichtungen. Fünf der zum Teil bereits vorbestraften Jugendlichen zwischen 14 und 17 befinden sich derzeit in Untersuchungshaft. (Michael Möseneder, 30.4.2024)