Benjamin Netanjahu spricht im Hintergrund, im Vordergrund Soldaten
Premier Benjamin Netanjahu am Montag bei einer Gedenkveranstaltung für gefallene Soldaten und Opfer von Terroranschlägen.
Foto: Imago / Gil Cohen-Magen

Unser Kolumnist Paul Lendvai hat es mit der ganzen Autorität seiner jahrzehntelangen Befassung mit Außenpolitik und speziell auch mit dem Staat Israel an dieser Stelle gesagt: Premierminister Benjamin Netanjahu ist ein Unglück für Israel, ein "Zerstörer", dessen Politik zutiefst schädlich für diese einzige Demokratie im Nahen Osten ist.

Sowohl die offizielle österreichische Außenpolitik als auch offizielle und inoffizielle Vertreter der jüdischen Community in Österreich begehen aber einen schweren Fehler, indem sie sich allzu sehr an Netanjahu, seine zynische Machtpolitik und seine Koalition mit religiösen Rassisten hängen. Das Selbstverteidigungsrecht Israels steht außer Frage; kein Zweifel kann auch daran bestehen, dass der bestialische Angriff der Hamas vom 7. Oktober nicht erfolgte, weil es um die Befreiung der Palästinenser von einem "kolonialistischen Regime" geht, wie ahnungslose und/oder bösartige "Propalästinenser" auch bei uns behaupten. Die Hamas will einen diktatorischen Gottesstaat errichten, auf jeden Fall auf dem Gebiet des heutigen Israels/Palästinas, am liebsten aber im ganzen Nahen Osten, wenn nicht noch weiter. Ein Hauptmerkmal wäre eine Unterdrückung der Frauen wie im Iran. Wenn unbedarfte Demonstranten auf dem Campus im Alten AKH in Wien ein Banner mit "Feministischer Kampf nicht ohne Palästina" aufhängen, greift man sich an den Kopf. Das müssten sie den Vergewaltigern von der Hamas sagen.

Kein Plan

Dennoch besteht kein Zweifel, dass Netanjahu jede Lösung der seit über 50 Jahren andauernden Besatzung mit den Palästinensern stets hintertrieben hat. Kein Zweifel auch, dass die Kriegsführung Netanjahus und seiner Verbündeten in Gaza massiv überschießend ist. Zwar kein Genozid, wie soeben auch das US-Außenministerium erklärt hat, aber auch ohne ausreichende Rücksicht auf die Zivilbevölkerung. Der Sicherheitsberater des US-Präsidenten hat festgestellt, dass Israel noch immer keinen Plan vorgelegt habe, wie man eine Million Einwohner von Gaza vor der angekündigten neuen Offensive im Süden in Sicherheit bringen könne. Ganz abgesehen davon, dass Nachschubtransporte nach Gaza von rechtsextremen Israelis angegriffen wurden.

Zuerst müsse der Krieg enden, dann könne man Netanjahu loswerden, ist das Argument, das gelegentlich zu hören ist. Aber der Krieg wird nicht enden. Netanjahu braucht ihn, um seinen Sturz abzuwenden. Es wird immer noch ein paar Hamas-Kämpfer geben, die man noch unschädlich machen muss. Außerdem weiß Netanjahu gar nicht, was er machen soll, um den Krieg zu beenden – im Sinne eines Plans, was dann mit dem niedergebombten Gebiet geschehen soll. Israelische Militärverwaltung? Arabische Polizeitruppen? Oder absolute Anarchie?

Lendvai, der kürzlich anlässlich seines Ausscheidens im ORF-Europastudio prominent geehrt wurde, hält Netanjahu für einen potenziellen "Zerstörer der israelischen Erfolgsgeschichte und einen Gefährder des Weltjudentums". Aus diesem Grund wäre es wichtig, dass man ihm und seinen Rechtsextremisten die Unterstützung entzieht – auch in Österreich. (Hans Rauscher, 14.5.2024)